von Friedhelm Chlopek
März 2011: Fukushima
Fünf Jahre nach dem atomaren Super-GAU in Japan ist Fukushima zum Inbegriff der Gefahren von Atomkraftwerken geworden. Vor Fukushima konnte man Bundeskanzlerin Angela Merkel noch sagen hören: „Wenn ich sehe, wie viele Kernkraftwerke weltweit gebaut werden, dann wäre es wirklich jammerschade, sollten wir aus diesem Bereich aussteigen.“ (Rede bei der BDI-Jahrestagung, 15.06.2009). Nach Fukushima hat sich alles verändert, jedenfalls in Deutschland.
Die Katastrophe
Das Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi (Fukushima I) wurde am 11. März 2011 von einer 14 Meter hohen Welle getroffen. Es trat zwar eine sofortige Schnellabschaltung ein, doch auf Grund des Zusammenbrechens der Strom- und Notstromversorgung kam es zu einer Atomkatastrophe, die in der Bewertungsskala INES zunächst in Stufe 5 eingeordnet wurde. Erst viel später, am 12 April 2011, wurde diese Katastrophe als katastrophaler Unfall der Stufe 7 (GAU) klassifiziert.
Schon sehr früh vermuteten Experten, dass es in den Blöcken zu Kernschmelzen kam. Aber erst am 24. Mai gab der Betreiber Tepco zu, dass in allen drei aktiven Reaktoren bereits unmittelbar nach dem Erdbeben Kernschmelzen einsetzten. Erst Jahre später, nämlich im Jahr 2013, wurde eine Analyse veröffentlicht, nach der die Katastrophe von Fukushima in der Form, wie sie die Welt erlebt hatte, vermeidbar gewesen wäre. Dass in Japan Naturkatastrophen wie schwere Erdbeben und ein Tsunami vorkommen können, hätte man wissen müssen. Maßnahmen für den Schutz der Bevölkerung und eine Sicherheitsüberprüfung von Kernkraftwerken in einem solchen Fall hätten bestehen müssen. Hätte man direkt nach dem Unglück agiert, hätte das Ausmaß der nuklearen Katastrophe deutlich verringert werden können. Doch die Verantwortlichen haben die von dem Erdbeben und Tsunami ausgehende Katastrophe fatal unterschätzt.
Die Folgen
Die Auswirkungen der Katastrophe bis heute: Eine 20 Kilometer große Evakuierungszone und ein 30 Kilometer großes Sperrgebiet. Acht Prozent der Landfläche sind radioaktiv verstrahlt. Die Emission radioaktiver Stoffe in Luft, Boden und dem pazifischen Ozean begannen mit den Explosionen in den Reaktoren und dauern bis heute an. Nach einer Studie der LSCE (französisches Institut für Klima- und Umweltwissenschaften) wurden und werden radioaktive Substanzen durch Taifune stark verbreitet. Die Wissenschaftler des Institutes konnten nachweisen, dass tropische Wirbelstürme belastete Sedimente aus den Böden in den Regionen um Fukushima auswaschen, in denen sich radioaktives Material wie Cäsium 134 und Cäsium 137 abgelagert hat. So gelangt das radioaktiv verseuchte Material in Flüsse und bis in den Pazifischen Ozean.
Fast 150.000 Menschen mussten die Region um Fukushima verlassen. Es war die Politik, die sehr lange und wider besseres Wissen den Betroffenen immer wieder die Hoffnung gemacht hat, dass sie in ihre Häuser zurückkehren können. Im Jahr 2013 stellte sich die Regierung erstmals der Realität und benannte Gebiete, die wegen der radioaktiven Verseuchung nie mehr bewohnbar sein werden.
Die Kosten
Die Kosten der Katastrophe von Fukushima bis zum Jahr 2015 betrugen 180 Milliarden US-Dollar (Zum Vergleich: Tschernobyl kostet bis heute 500 Milliarden US-Dollar). Diese unvorstellbare Summe ist nur die eine Seite der Medaille. Die Folgen für Mensch, Tier und Umwelt sind bis heute spürbar. Die UNSCEAR (Wissenschaftlicher Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung) geht davon aus, dass bei der japanischen Bevölkerung bis zu 16.000 zusätzliche Krebserkrankungen und bis zu 9.000 zusätzliche Krebstodesfälle zu erwarten sind. Die IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) befürchtet, dass die tatsächlichen Zahlen weitaus höher liegen. Trotz sinkender Radioaktivität nimmt die Zahl der Singvögel im Sperrgebiet immer stärker ab, einige Arten sind fast ganz verschwunden.
Weitere Links zum Thema
FOCUS: Eine Chronik des Versagens
Wikipedia: Nuklearkatastrophe von Fukushima
Die WELT: Fukushima Daiichi – atomarer Albtraum ohne Ende
Atomreaktor-Katastrophen Tschernobyl, Fukushima und Folgen – Kurzbericht beim Samstags-Forum Regio Freiburg am 25. April 2015
IPPNV Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.