von Friedhelm Chlopek
Der Bundestag hat am 08. Juni 2016 den Regierungsentwurf für die Novelle des Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG 2016) beschlossen. Dabei sollen Erneuerbare Energien parallel zum Netzausbau weiter ausgebaut werden. „Die EEG Reform ist eine Konsequenz aus Gespensterdebatten um angeblich zu hohe Strompreise und fehlende Netze und ist somit ungeeignet, die eigentlichen Herausforderungen
der Energiewende zu lösen.“ Dieses Zitat stammt aus der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsförderung mit dem Titel Stromnetze und Speichertechnologien für die Energiewende – Eine Analyse mit Bezug zur Diskussion des EEG 2016, geschrieben von Claudia Kemfert, Clemens Gerbaulet und Christian von Hirschhausen.
Gespensterdebatten und Mythen prägen die Diskussion um das EEG-2016
Geespensterdebatten und Mythen prägen die Diskussion um das EEG-2016. Einer dieser Mythen ist, dass mit dem EEG 2014 bereits eine Umstellung auf Ausschreibung beschlossen worden sei. Das ist falsch. Vielmehr wurde im EEG 2014 eine Absichtserklärung formuliert, die für den Gesetzgeber nicht bindend ist.
Ein weiterer Mythos ist, das die erneuerbaren Energien den Strom teurer machen. Das ist falsch. Der Anteil des Stroms, den die Erneuerbaren heute in Deutschland liefern, ist in den vergangenen 10 Jahren von 10% auf mittlerweile 33% gestiegen. Die Folge des Anstiegs ist, dass die Produktionskosten für die erneuerbaren Energien dramatisch sinken. Gleichzeitig verursachen sie geringe, externe Umweltkosten. Der Preis für den Strom, den erneuerbare Energien liefern ist extrem niedrig. Der Strompreis wird aber an der Börse gehandelt. Es gibt auf der anderen Seite einen Überschuss an Strom, ausgelöst vor allem durch überschüssige, alte, ineffiziente Kohlekraftwerke.
Kohlekraftwerke gehören zu den Grundlastkraftwerken. Sie sind, ebenso wie beispielsweise Atomkraftwerke, nicht flexibel (sie können nicht einfach schnell heruntergefahren und wieder angefahren werden), sie gefährden die Klimaschutzziele und erhöhen die Treibhausemmissionen. Eine der Folgen durch den Kohleüberschuss: Der Preis an der Strombörse für den Strom fällt durch das entstandene Überangebot. Die EEG Umlage aber errechnet sich aus der Differenz der Förderung erneuerbarer Energien und dem Börsenpreis. Das bedeute, dass es die Kohlekraftwerke sind, die den Strom verteuern und nicht die erneuerbaren Energien.
Unsere Stromnetze sind kein Engpass für die Stromwende
Ein weiterer Mythos: Die angeblich fehlenden Netze. Das deutsche Stromnetz gehört weltweit zu den am besten ausgebauten und sichersten Netzen. Im Jahr 2014 lag laut Angaben der Bundesnetzagentur die durchschnittliche Unterbrechungsdauer der angeschlossenen Endverbraucher bei durchschnittlich 12,28 Minuten. Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung lag damit bei 99,998 Prozent.
Ein Mehrausbau der Netze fördert die CO2 intensive Stromproduktion
Im EEG 2016 ist beispielsweise das Argument zu finden, dass das Tempo des Netzausbaus auch das Tempo der Energiewende bestimmen. Auch wieder so ein Gespensterargument. Die augenblickliche Netzoptimierung, Netzverstärkung und der Netzausbau schreiten kontinuierlich voran. In der Vergangenheit erfuhren sie keine nennenswerten Verzögerungen. Ein Mehr an Netzausbau, wie im EEG 2016 gefordert und direkt mit der Energiewende begründet, ist falsch. Das Gegenteil ist richtig. Ein Netzausbau im Augenblick fördert die CO2 intensive Stromproduktion.
Das wissen übrigens auch die großen Energiekonzerne. Eine Analyse von Vattenfall aus dem Jahr 2013 weist explizit darauf hin, dass „die Verbindung von europäischem Netzausbau im Rahmen des 10-Jahresentwicklungsplan … gemeinsam mit dem deutschen Netzausbau“ die Anbindung der Lausitz Braunkohlekraftwerke weiter stärken wird. Gleiches gilt für die HGÜ-Leitung aus NRW in Richtung Baden-Württemberg oder von Hamburg in Richtung Süddeutschland. Sie fördern die lokale Einspeisung fossiler Kraftwerke.
Nun sollen wegen des Kohleüberschuss zusätzliche Netze gebaut werden, was natürlich die Kosten wiederum erhöht. Gleichzeitig, und das ist der eigentliche Skandal, erfolgt eine Ausbaudeckelung erneuerbarer Energien. Eine der vorgesehenen Maßnahmen sollen Ausschreibungen sein, die letztlich auch zu einem Ausschluss von Akteuren am Markt führen.
Nutznießer des EEG 2016 sind auch die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB). Die garantierte Eigenkapitalrendite der ÜNBs liegt bei 9%. Da freut sich das Kapital und strömt nach Deutschland, denn solche garantierten Renditen sind am Kapitalmarkt nicht zu erzielen. Bei dem niedrigen Kohle- und Ölpreisen, die in jedem Fall bis 2015 zu erwarten sind, würde ein Ausbau der Stromtrassen zu einer Stärkung der vermeintlich „günstigen“ Stromquellen – vor allem eben Kohle – führen. Es gibt Studien, die belegen, dass es dann zu einer Steigerung der CO2 Emission von 43 Millionen Tonnen kommen wird. Also auf gar keinen Fall zu einer Reduzierung. Wo verfolgt also die Bundesregierung die Ziele des Klimaschutzabkommens von Paris?
Das EEG 2016 muss überarbeitet werden
Um das 1,5 Grad Ziel des Klimaschutzgipfels COP21 zu erreichen, muss die die CO2-Neutralität bereits vor 2050 erreicht werden. Die vereinbarten Klimaschutzziele von Paris bedingen den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien. Soweit sollte das auch unseren Politikern klar sein.
Vor allem die externen Umweltkosten (Co2, Treibhausemissionen) machen fossile Energien teuer. Die Erneuerbaren stellen eine kostengünstige und nachhaltige Erzeugungstechnologie dar. Sie schaffen zukunftsorientierte Arbeitsplätze. Wenn heute Apple, Google und Facebook zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien setzen, wenn der Internationale Währungsfond Subventionen für fossile Energieträger brandmarkt, dann sollten wir mit einem EEG 2016 nicht gegen die Zukunft arbeiten. Das EEG 2016 ist beschlossen, es sollte dennoch dringend überarbeitet werden.
Die Diskussion des EEG 2016 sollte sich an dem Leitbild eines zu 80-100% erneuerbaren Stromsystems orientieren. Es geht darum, herauszufinden, welche Kriterien für diese grundlegende Weichenstellung wichtig sind. Es geht auch darum, mit Mythen aufzuräumen. Mit Geisterdiskussionen, in die Welt gesetzt von Akteuren, die bewusst in die falsche Richtung zielen.