von Anne Kreutzmann mit freundlicher Genehmigung von PHOTON
Das Start-up Next2Sun will Freiflächenanlagen netzdienlicher und ökologischer bauen
Start-up-Unternehmen im Bereich Montagesysteme sind eher selten, doch genau hier setzt die 2015 gegründete Next2Sun GmbH an. Unternehmensweck ist formal die »Entwicklung und Erprobung von innovativen Aufständerungskonzepten für Photovoltaikmodule«. Was das konkret bedeutet, kann man sich in der Nähe von Merzig (Saar) bereits in der Praxis anschauen. Hier steht auf einer Kuhweide eine 28-Kilowatt-Anlage, bei der die Module senkrecht montiert sind. Die Pilotanlage ist nach Einschätzung von Heiko Hildebrandt, Mitgründer und zusammen mit Nicolai Zwosta Geschäftsführer von Next2Sun, die erste senkrecht montierte Ost-West-Freilächenanlage in Deutschland, vielleicht sogar weltweit. Lässt man ein paar in den 1990er-Jahren gebaute Lärmschutzwände mit senkrecht installierten bifacialen Modulen außen vor, dürfte er vermutlich Recht haben.
Dabei liegen die Vorteile einer solchen Installation auf der Hand: Solarstrom wird vormittags von der nach Osten zeigenden Modulseite erzeugt, nachmittags dann von der nach Westen zeigenden. Die Stromproduktionskurve, die auch den Briefkopf von Next2Sun ziert, hat dann zwei Peaks statt, wie bei konventioneller Südausrichtung, nur einen zur Mittagszeit und ähnelt damit einer Insel mit zwei Bergen. Solarstrom wird also zu Zeiten erzeugt, in denen die nach gängiger Bauart ausgeführten Anlagen noch nichts oder nichts mehr leisten, was zu einer Vergleichmäßigung der Solarstromproduktion führt.
Das heutige Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) belohnt diese Art der netzdienlichen Stromproduktion zwar noch nicht, denn eine Kilowattstunde wird immer mit demselben Betrag vergütet, unabhängig davon, wann sie erzeugt wird. Doch Hildebrandt ist sicher, dass sich das in Zukunft ändern wird. Und auch wenn die Vergütung unabhängig vom Zeitpunkt der Stromproduktion bleiben sollte, wie es zum Beispiel PHOTON im »E-Pool«-Modell vorgeschlagen hat (PHOTON 3-2013), so lässt sich mit dem von Next2Sun entwickelten Anlagenkonzept Solarstrom ähnlich günstig erzeugen wie mit anderen Anlagenkonzepten – davon sind zumindest Hildebrandt und seine Mitstreiter überzeugt. Mit einem Gebot von etwas über sechs Cent je Kilowattstunde für eine 3-Megawatt-Anlage hat sich Next2Sun in der letzten Ausschreibungsrunde für Freilächenanlagen gegen zahlreiche Mitbieter durchgesetzt.
Mehrertrag durch bifaciale Module
Die Leistungsangaben der Pilotanlage wie auch des Megawatt-Projekts beziehen sich auf die Vorderseite der verbauten Module. Wäre nur eine Seite aktiv, würde eine solche Anlage nur rund 60 Prozent des Ertrags einer optimal nach Süden ausgerichteten Anlage bringen. Der Ertrag wäre vergleichbar mit dem einer nach Osten oder Westen ausgerichteten Fassadenanlage.
Sind jedoch beide Modulseiten aktiv, addiert sich der Ertrag. Allerdings ist die Modulrückseite bei bifacialen Modulen immer etwas schwächer als die Vorderseite. Das Verhältnis von Vorder- zu Rückseitenleistung gibt der sogenannte Bifacialitätsfaktor an. Je nach Technologie beträgt er zwischen 70 und knapp 100 Prozent. Next2Sun ist auf einen hohen Bifacialitätsfaktor angewiesen: »Mit 70 oder 80 Prozent rechnet sich unser Konzept nicht«, so Hildebrandt. Man benötige über 90 Prozent. Doch damit reduziert sich das ohnehin noch recht schmale Angebot an verfügbaren Modulen derzeit auf wenige Anbieter. LG käme laut Hildebrandt zum Beispiel in Frage oder auch Yingli, Solarworld dagegen nicht.
Für die Pilotanlage hat Next2Sun hochwertige Bifacial-Zellen von der taiwanesischen Neo Solar Power gekauft und diese dann von der Freiburger SI Module GmbH zu Modulen verbauen lassen. Zudem hatte man das Glück, von der chinesischen Trina Solar einige besonders hochwertige bifaciale Module zu erhalten, die ansonsten noch nicht im Handel erhältlich sind. Insbesondere von den Trina-Modulen ist Hildebrandt angetan: »Die sollten einen Bifazialitätsfaktor von 94 Prozent haben, gemessen haben wir dann 98 Prozent.« Damit lassen sich dann gut zehn Prozent Mehrertrag im Vergleich zu einer klassischen Südanlage herausholen. Konkret betrug der Ertrag für die Piloanlage im Jahr 2016 1.043 Kilowattstunden je Kilowatt.
Natürlich lassen sich die Hersteller die Bifacialität bezahlen, obwohl sie bei einigen Zellprozessen sogar ein Abfallprodukt darstellt. So verbaut LG zum Beispiel seine bifacialen Solarzellen auch in ganz normalen Standardmodulen mit weißer Rückseitenfolie. Die Zellen sind von Haus aus beidseitig aktiv.
Da bifaciale Module jedoch eine transparente Rückseite benötigen und hier oft eine zweite Glasscheibe zum Einsatz kommt, sind sie am Ende doch etwas teurer in der Produktion. Die aktuell am Markt aufgerufenen Preise von 60 Cent bis zu einem Euro pro Watt sind allerdienlichen Stromproduktion zwar noch nicht, denn eine Kilowattstunde wird immer mit demselben Betrag vergütet, unabhängig davon, wann sie erzeugt wird. Doch Hildebrandt ist sicher, dass sich das in Zukunft ändern wird. Und auch wenn die Vergütung unabhängig vom Zeitpunkt der Stromproduktion bleiben sollte, wie es zum Beispiel PHOTON im »E-Pool«-Modell vorgeschlagen hat (PHOTON 3-2013), so lässt sich mit dem von Next2Sun entwickelten Anlagenkonzept Solarstrom ähnlich günstig erzeugen wie mit anderen Anlagenkonzepten – davon sind zumindest Hildebrandt und seine Mitstreiter überzeugt. Mit einem Gebot von etwas über sechs Cent je Kilowattstunde für eine 3-Megawatt-Anlage hat sich Next2Sun dings noch gut doppelt so hoch wie für Standardmodule, und auch deutlich höher als das, was Next2Sun zahlen kann. Hildebrandt hat ausgerechnet, dass er maximal 20 Prozent mehr für die Module ausgeben darf, um noch konkurrenzfähig zu sein. Bei heute üblichen Modulpreisen von rund 40 Cent je Watt wären dies also 48 Cent. Mit diesen Preisen hat Hildebrandt auch im 3-Megawatt-Projekt geplant. Nun hofft er, dass derart günstige bifaciale Module schnell genug verfügbar sein werden.
Landwirtschaftliche Nutzung möglich
Ganz unberechtigt ist diese Erwartung nicht. Derzeit beinden sich weltweit neue Produktionskapazitäten für hochwertige bifaciale Module im Bau, unter anderem eine 2,1-Gigawatt-Fabrik des chinesischen Herstellers Jolywood, die bereits im September dieses Jahres in Betrieb gehen soll.
Dass Hildebrandt überhaupt 20 Prozent mehr für seine Module ausgeben kann und nicht nur zehn Prozent, die durch den Mehrertrag gerechtfertigt wären, liegt an einer weiteren Besonderheit des Anlagenkonzepts. Durch den weiten Reihenabstand von zehn Metern, der benötigt wird, damit sich die Module nicht verschatten, bleibt eine landwirtschaftliche Nutzung möglich. Rund 90 Prozent der Gesamtläche können wie gewohnt für Viehzucht oder Ackerbau genutzt werden.
Um dies in der Praxis zu erproben, weiden seit kurzem zwischen den Modulreihen der Pilotanlage Kühe. Hierbei zeigt sich allerdings auch, dass die neugierigen Milchlieferanten die Module mit ihren lehmverschmierten Mäulern ziemlich einsauen können. Im Ernstfall müsste entweder die untere Modulreihe höher montiert werden als die bei der Pilotanlage gewählten 70 Zentimeter – oder man lässt statt Kühen Schafe oder Ziegen weiden.
Bei einem Reihenabstand von zehn Metern lässt sich die Fläche zudem mit den üblichen landwirtschaftlichen Maschinen bewirtschaften; Kartoffelanbau sollte beispielsweise kein Problem sein. Hildebrandt geht deshalb davon aus, dass die Flächenkosten deutlich geringer ausfallen werden als bei seiner Konkurrenz. Zudem verspricht er sich, neue Flächenpotenziale zu erschließen: »Die Mähwiese, auf der wir unsere 3-Megawatt-Anlage bauen, ist ein FFH-Lebensraumtyp. Eine Südanlage hätten wir dort nie genehmigt bekommen.« Im Idealfall hofft er, dass seine Flächenkosten »gegen Null« gehen, weil die Flächen durch sein Anlagenkonzept ökologisch aufgewertet werden. Zudem lassen sich auch Nordhänge mit dem Next2Sun-Konzept erschließen.
Hohe Anforderungen an das Montagesystem
Fragt man die etablierten Montagesystemhersteller, indet sich kaum einer, der für eine solche Art der Montage ein System im Angebot hat. Auf eine kleine Umfrage antwortete lediglich die BayWa r.e. renewable energy GmbH, man habe zwar kein System zur senkrechten Installation im Programm, immerhin sei aber »die Installation von bifacialen Modulen mit Hilfe unseres eigenentwickelten Montagesystems Novotegra prinzipiell möglich.« Die Solarworld AG hat als Hersteller bifacialer Module ebenfalls ein entsprechendes Montagesystem entwickelt. Das »Sunix Bisun« ist jedoch ebenfalls nicht für die senkrechte Montage vorgesehen, sondern – bei einer erhöhten Aufständerung – für einen Neigungswinkel von zehn Grad. Solche Lösungen setzen nicht auf direkte Einstrahlung auf beiden Modulseiten, sondern auf die Nutzung der Relexionen eines vorzugsweise hellen Untergrunds.
Dass bislang noch keine Systeme zur senkrechten Montage am Markt verfügbar sind, mag zum einen daran liegen, dass es bislang noch keine preiswerten bifacialen Module in großen Mengen gibt. Zum anderen aber auch daran, dass bei einer senkrechten Montage viel höhere Anforderungen an die Statik gestellt werden. Die Modulreihen wirken wie Segel im Wind. Bei der Pilotanlage bei Merzig (Windlastzone zwei) mussten die U-Proile zwei Meter tief in den Boden gerammt werden, um eine ausreichende Stabilität zu erreichen. Der Materialbedarf liegt mit 80 Kilogramm Stahl je Kilowatt Anlagenleistung deutlich höher als bei Montagesystemen für Ost-West- oder auch Süd-Anlagen. Hinzu kommen höhere Kosten für die Verkabelung. Durch den weiten Reihenabstand müssen die Kabel über viel größere Strecken verlegt werden.
All das sind Herausforderungen in der Kalkulation, die Next2Sun jetzt meistern muss. Und weil das keine einfache Aufgabe wird, ist man auf der Suche nach Partnern: »Für die möglichst rasche Weiterentwicklung vom Start-up zu einem auch international tätigen Unternehmen sollen Risikokapitalgeber und Investoren gewonnen werden«, so Hildebrandt. Die Vision ist, das Next2Sun in einigen Jahren als Aktiengesellschaft national und international bifaciale Solarkraftwerke plant, baut und selbst betreibt oder verkauft.