Von Winfried Anslinger
100 Tage ist die neue Landesregierung im Amt. Die mittlerweile erkennbaren energiepolitischen Leitlinien zeigen eine traurige Tendenz: Sie zielen im Wesentlichen auf eine Erhaltung des status quo ab. Die Chance, den Status unseres Bundeslandes als „Energieland“ zu erhalten, wird ohne Not vertan. Aller Voraussicht nach wird das Saarland im Vergleich der Flächenländer bei den erneuerbaren Energien Schlusslicht bleiben.<!–more–>
Da bisher keinerlei Aussagen über einen planmäßigen Ausstieg aus der Kohleverstromung gemacht wurden, stattdessen die Einbeziehung der Kohle – Großkraftwerke in einen Kapazitätsmarktmechanismus gefordert wird, muss angenommen werden, dass die Landesregierung einem unbegrenzten Weiterbetrieb der Meiler in Bexbach und Weiher anstrebt. Dies lehnen wir strikt ab, weil die man damit eine Struktur künstlich am Leben erhält, die keine Zukunft hat. Abzuwarten, bis der eine oder andere Meiler von alleine durch die Marktkräfte vom Netz geht, ist kein Ersatz für die notwendige Gestaltungsaufgabe.
Es ist nicht erkennbar, wie die Große Koalition bei der Windkraft bis zum Jahr 2020 eine installierte Leistung von 800 MW erreichen will. So viel wäre in diesem Sektor notwendig, um einen Ökostromanteil von 20 Prozent am regionalen Strommarkt zu erreichen. Dieses Ziel ist im neuen Koalitionsvertrag aber nach wie vor4 enthalten. Schon in den vergangenen Jahren wurden die selbstgesteckten Ziele deutlich verfehlt.
Das Klimaziel ließe sich verspätet erreichen, wenn sich die Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzen würde, das Ausschreibungssystem für neue Windparks so zu gestalten, dass die Windkraftnutzung auch an Binnenstandorten wie im Saarland weiterhin wirtschaftlich bleibt. Das derzeitige Ausschreibungsverfahren macht einen Neubau von Windparks bei uns unwahrscheinlich und steht in direktem Widerspruch zu den Zielen der Energiewende.
Die Koalition will die Kosten der Umstrukturierungen begrenzen und zugleich gerechter verteilen. Beides wäre möglich durch Senkung der Steuerbelastung und durch Begrenzung der zahllosen Ausnahmeregelungen für Stromgroßverbraucher, welche durch die Marktöffnung ohnehin begünstigt werden. Dazu wird aber weder im Koalitionsvertrag etwas gesagt, noch ist bisher eine Initiative der Landesregierung im Bundesrat erfolgt. So bleiben die Ankündigungen unverbindlich und es verstärkt sich der Verdacht, dass die finanziellen Einsparungen durch Ausbremsen der Neuinstallation von Anlagen bewerkstelligt werden sollen.
Die Landesregierung setzt sich für die Beibehaltung der vermiedenen Netzentgelte und gegen eine Vereinheitlichung von Gebühren auf der Hochspannungsebene ein. Das ist zu befürworten, weil die Energiewende billiger wird, wenn sie die Schwerpunkte regional setzt. Doch sollten vermiedene Netzentgelte weiterhin auch den erneuerbaren Energien zugute kommen, nicht nur den flexibilisierten Kohlemeilern, welche ohnehin baldmöglichst durch Gaskraftwerke ersetzt werden sollten. Werden die aktuell erkennbaren technologischen Pfade weiter beschritten, wird Regelenergie in einem künftigen System überwiegend durch Wind und PV – Gas bereit gestellt werden. Die saarländischen Kraftwerksstandorte könnten so erhalten bleiben.
Energiegenossenschaften sollen zwar unterstützt werden, doch fehlt bisher jede konkrete Maßnahme. Angesichts der Entwicklung, die vielen Energiegenossenschaften die finanzielle Grundlage zu entziehen droht, erscheint diese Erklärung rein deklaratorisch.
Im Stromspeicherbereich werden derzeit Lithiumbatterien für den Hausgebrauch und wenige Pilotprojekte subventioniert. Zu großen Speichern findet sich jedoch keine Aussage mehr, obgleich das Thema noch in der laufenden Legislaturperiode wichtig wird. Da bei wachsenden Einspeisemengen erneuerbarer Energien die Fluktuation in den Netzen zunimmt, wird in spätestens 10 Jahren die Flexibilisierung der vorhandenen Strukturen – auch durch intelligentes Lastmanagement – nicht mehr ausreichen. Bei einer Bauzeit von 5 – 7 Jahren für Großspeicher wären in der kommenden Periode wichtige Investitionsentscheidungen zu treffen. Das Vorhaben, ein Pumpspeicherkraftwerk im Schacht der ehemaligen Grube Nordschacht zu installieren, wird offensichtlich ersatzlos aufgegeben. Damit verabschiedet sich das Saarland endgültig von der Vision, weiterhin „Energieland“ zu bleiben.
Die zunehmende Einspeisung von PV Strom wird im Niederspannungsbereich irgendwann zu Überspannungsproblemen führen. Will man Photovoltaische Stromerzeugung weiterhin fördern, muss mit dem Bau neuer Ortsnetztrafos begonnen werden, die überschüssigen Strom ins Mitttelspannungsnetz abgeben können. Die Entscheidung darüber überlässt man allein den Verteilungsunternehmen. Probleme sind vorhersehbar.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass die gegenwärtige Landesregierung in Sachen Energiewende über deklaratorische Ansagen nicht hinauskommt. Weder der Koalitionsvertrag, noch die bisherigen Handlungen der Landesregierung lassen eine Absicht erkennen, den dringend notwendigen Umbau der Systeme weiter voran zu treiben. Entsprechend fehlen schon im Vertrag glaubwürdig verbindliche Klimaschutzziele. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Der Rückstand des Saarlandes zu den übrigen Flächenländern wird nicht abgebaut, sondern weiter zunehmen. Im Bundesvergleich werden wir auf Dauer Schlusslicht bleiben. Darüber täuscht auch keine Aktionswoche hinweg. Aus falscher politischer Rücksichtnahme werden dem alten System weitere Jahre auf Kosten des Gemeinwohls geschenkt.