Von Friedhelm Chlopek
Da sitzen sie nun, an diesem 2. August des Jahres 2017. Die Spitzenmanager der deutschen Autoindustrie: Matthias Müller (VW), Harald Krüger (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) und ihre Kollegen von Audi, Porsche, Opel und Ford. Eigentlich fehlt einer: Martin Winterkorn. Doch Winterkorn, einer der Hauptverantwortlichen bei VW für die augenblickliche Krise, arbeitet nicht mehr für VW.
Die Veranstaltung
Der Tagungsort an diesem Mittwoch sollte eigentlich das Bundesverkehrsministerium sein. Doch dort hatte sich die Masse der Empörten versammelt. Wie beispielsweise Greenpaeceaktivisten, die bereits am Morgen ein Banner an der Ministeriumsfassade aufhingen. Die Automanager hätten da folgendes lesen können: „Willkommen im Fort NOx“. Allerdings wollten sich die Automanager nicht dem Ärger der Öffentlichkeit aussetzen, es fehlte ihnen wohl der Mut. So verlegte die Politik auf Geheis der Manager den Tagungsort ins Bundesinnenministerium.
Zur Veranstaltung selbst gibt es nicht viel zu sagen. Außer, dass es Schade ist, dass die Verantwortlichen aus der Autoindustrie und aus der Politik kein Wort der Entschuldigung sagten. Nichts. Stattdessen hohle Ankündigungen: ein Softwareupdate (das die Schummelsoftware ersetzen soll) und eine „Abwrackprämie“, die einzig dazu dient, die nicht verkäuflichen Diesel der Autogiganten vom Hof zu bekommen. Anzumerken ist, dass drei Wochen nach dem Autogipfel Bundesumweltministern Babara Hendricks vor dem Kauf neuer Dieselfahrzeuge warnen wird. Auch die aktuellen Dieselmodelle mit der Euro-6-Norm halten die Grenzwerte meist nur im Labor ein, nicht aber auf der Straße.
Um was geht es?
Der Skandal über den weltweiten Betrug deutscher Autofirmen ist sehr ausführlich in der Presse besprochen worden. Dabei werden oft Dinge miteinander vermischt, die zumindest den normalen Menschen staunen lassen.
Das rechtliche Problem
Zunächst haben wir das Problem der Straftat oder besser der Straftaten. Es handelt sich dabei um verbotenen Absprachen und um Betrug. Begangen von einer Gruppe von Menschen, an deren Spitze die Vorstandsvorsitzenden stehen, die an eben diesem 2. August 2017 ihre Chance mehr als vertan haben, den Menschen reinen Wein einzuschenken oder zumindest ein Wort des Bedauerns zu verlieren. Von den Verantwortlichen der Autoindustrie kam nichts.
Der Anwalt und ehemalige FDP-Politiker Gerhard Baum und der auf Verbraucherschutzprozesse spezialisierte Anwalt Julius Reiter vertreten mittlerweile weit über 5000 Menschen, die in Deutschland Klage einreichen. Eine weitere Kanzlei hat noch einmal über 5000 Dieslbesitzer, die vertreten werden wollen. Der Hintergrund ist einfach: Die Frist, um überhaupt einen Schadensersatz zu bekommen, endet für die allermeisten Dieselbesitzer Ende 2017. Und die Autokonzerne, die ach so kulant sind, rechnen insgeheim damit, dass die meisten der 2,5 Millionen betroffenen Dieslfahrzeugbesitzer diese Frist verstreichen lassen. Insgesamt rechnet man nur in Deutschland mit 50.000 Klagen der 2,5 Millionen betroffenen Besitzer. (Lesen Sie dazu auch den SZ Artikel Schweigen und aussitzen)
Praktisch gesehen könnte zumindest der „Fehler“ seitens der Autoindustrie behoben werden. Das Problem wäre einfach zu lösen: Neben der Software werden in den Dieselfahrzeugen größere Tanks für das Harnsäuregemisch (werbetechnisch: AdBlue) eingebaut, und schon würden (hoffentlich) die versprochenen Abgaswerte in Gänze eingehalten. Bei 2,5 Millionen Fahrzeugen allein in Deutschland und prognostizierten Kosten von 1.500 Euro pro Fahrzeug wäre das wohl das Aus der Autoindustrie. Soviel zum Ausmaß des angerichteten Schadens.
Blicken wir auf die Verantwortlichen und ihre Helfer, von denen die allermeisten immer noch in Amt und Würden sind. Die weitermachen, als gäbe es kein Morgen. Andere, die einen Betrug solch großen Ausmaßes begangen haben, wären sofort in U-Haft gekommen. Denn eine Straftat ist nun mal eine Straftat, doch vor dem Gesetz sind offensichtlich nicht alle gleich.
Das politische Problem
Die Verflechtung von Politik und Autoindustrie ist sehr ausgeprägt: „Im Mai 2013 schreibt VDA-Chef Wissmann an die „Liebe Angela“, sie möge in Brüssel überzogene Vorschläge bei den CO2 – Zielen verhindern“ (Spiegel Nr 32/17, Seite 13, Die dunkle Seite der Macht).
Wissmann, von 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister und bis heute enger Freund von Angela Mergel, ist seit 2007 Präsident des Verbands der Automobilindustrie. Sigmar Gabriel saß von 1999 bis 2003 im Aufsichtsrat von VW. Besonders dreist, schreibt der Spiegel in seiner Ausgabe 32/17, treibt es Eckart von Klaeden (Staatsminister im Bundeskanzleramt unter Angela Merkel von 2009 bis 2013). Er soll nach Spiegelinformationen von den Finanzgeschäften von Daimler mit dem Raumfahrtkonzern EADS im Jahr 2012 informiert gewesen sein. 2012! Da war von Klaeden noch Staatsminister im Bundeskanzleramt. Heute arbeitet er als Cheflobbyist bei Daimler.All das ist erschreckend. Aber es kommt noch schlimmer. Die Autokonzerne haben sich mit intensiver Lobbyarbeit so abgesichert, dass man sie – auch rechtlich – kaum zu Verantwortung ziehen kann. Jedenfalls in Deutschland nicht. Das ist an für sich schon ein Skandal, bedenkt man, welche Folgen diese Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik hatte, hat und haben wird.
Ein letztes Beispiel: Am 23. August 2017 gab Peter Ramsauer dem Deutschlandfunk ein Interview zum Thema. Dabei wurde unter anderem die einen Tag vorher veröffentlichte Studie des Bundesumweltministeriums besprochen, aus der klar hervorgeht, dass die Maßnahmen (Softwareupdate, Umstiegsprämie) die erhoffte Senkung der Stickoxyde in den betroffen Städten nicht erreichen wird. Peter Ramsauer sagte im Interview des Deutschlandfunks, dass das Bundesumweltministerium, namentlich die Bundesumweltministerin, lügen würde (das wörtlich) und das darüber hinaus im Bundesumweltministerium nur grüne Umweltverbesserer sitzen, denen es nicht auf die Wahrheit ankommt. Zum Verbrennungsmotor gebe es im Augenblick keine Alternative, die deutsche Dieseltechnik sei alternativlos.
Das wirtschaftliche Problem
Peter Ramsauer verteidigt also die Technologie, mit der die Spitze der deutschen Autoindustrie die Zukunft Deutschlands als Autostandort sichern will. Also eine Technologie, die als Grundlage auf das Verbrennen fossiler Energieträger setzt. Dabei sollte man wissen: Der Anteil der Dieseltechnologie in den Schlüsselmärkten der Autoindustrie ist gering bis gar nicht vorhanden. Während in Deutschland der Anteil an Dieselautos kontinuierlich stieg (2015 lag er bei fast 32 Prozent), spielt er in den Schlüsselmärkten wie den USA (unter 3 Prozent) oder China (0 Prozent) keine Rolle. Unternehmensberater Roland Berger prognostiziert, „dass der Dieselanteil bis 2025 überall weiter zurückgehen wird“. (Lesen Sie dazu Dieselantrieb ohne Zukunft)
Parallel dazu steigt der Anteil der Elektroautos weltweit kontinuierlich. Interessanterweise sind es die USA, die hier eine Vorreiterrolle übernommen haben. Keine Nation weltweit investiert so viel in die Förderung der Elektromobilität wie die USA.
Während also die verantwortlichen Automanager in Deutschland auf eine Technologie setzen, die – selbst in Europa – auf dem Rückzug ist, haben andere längst mit dem Aufbau der Zukunft begonnen. Die Dieseltechnologie – und damit auch der Verbrennungsmotor – ist nicht nur schädlich für das Weltklima. Diese Technologie hat mittel- und langfristig keine Zukunft. Trotzdem lässt sich die führende Autonation der Welt das Heft aus der Hand nehmen und versucht mit Lug und Betrug an einer veralteten Technologie festzuhalten. Dass das in Deutschland letztlich Arbeitsplätze und Wohlstand kosten wird, liegt auf der Hand. Ganz abgesehen davon, dass eine Schlüsselindustrie mal wieder zeigt, wie ernst sie es mit dem Umweltschutz und der Energiewende tatsächlich nimmt.
Das gesundheitliche Problem
Die Abkürzung NOx steht für NO (also Kohlenmonoxyd) und NO2 (Kohlendioxyd). Die Stoffe entstehen als Nebenprodukt beim Verbrennen vor allem in Autos, Kohle- und Gaskraftwerken oder bei Schiffen. Das gefährliche bei diesen Stoffen ist, dass sie schnell Verbindungen mit anderen Stoffen eingehen und so die Bildung von bodennahem Ozon fördern und die Feinstaubbelastung erhöhen. Das birgt Gefahren sowohl für die Gesundheit als auch für die Umwelt. Besonders Asthmatiker leiden an den Folgen der erhöhten NOx-Belastung. Eine erhöhte NO2-Belastung kann laut Bundesgesundheitsministerium zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion und zu chronischen Herz-Kreislauferkrankungen führen. Laut Europäischer Umweltagentur starben 2012 in Deutschland 10400 Menschen an erhöhter Stickstoffdioxydbelastung.
Fazit
Die Energiewende kämpft permanent mit dem Problem, dass Konzerne aber auch Politiker Wahrheiten verdrehen. Der Dieselskandal wird in jedem Fall dazu führen, dass wir die in Paris gesteckten Klimaziele nicht erreichen werden. Mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Verantwortung, sowohl von wirtschaftlicher als auch von politischer Seite, sieht anders aus. Politiker wie Verantwortliche aus der Wirtschaft spielen mit der Gesundheit der Bevölkerung und der Zukunft dieses Landes und der Welt. Dazu sagen wir von der Energiewende: Stopp! So geht es nicht weiter.
Lesen Sie auch den Artikel in der Süddeutschen Zeitung Das Straßenbild von morgen
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