Von Kajo Breuer
„Et hätt noch emmer joot jejange.“ So lautet der Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes. „Es ist noch immer gut gegangen.“ Als gebürtigen Rheinländer ist mir dieses optimistische Diktum vertraut und symphatisch.
Als ich in den vergangenen Wochen und Monaten die Reaktionen der Großen Koalitionen in Bund und Land auf die Demonstrationen von „Fridays For Future“ verfolgte, fiel mir jedoch der Spruch des alten Zynikers Harald Schmidt ein: „Optimismus ist nur der Mangel an Information.“ Allerdings ist diese Assoziation selbst wieder eine optimistische Interpretation dessen, was CDU/CSU, SPD und FDP von sich gaben. Denn dass es an Informationen fehlt, kann doch niemand ernsthaft behaupten. Aus irgendwelchen Gründen glauben diese Parteien einfach nicht daran, dass es so schlimm kommen könnte, wie fast alle Wissenschaftler/innen es prognostizieren. Im vergangenen Jahrzehnt hatte man den Eindruck gewinnen können, der preußische Protestantismus habe in Deutschland die ideologische Oberhand gewonnen, zumal nach der Wahl von Merkel zur Bundeskanzlerin und Gauck zum Bundespräsidenten, und nun stellt sich heraus, es ist der rheinische Katholizismus mit seiner Haltung, nicht alles so ernst zu nehmen. Im Zweifelsfall auch nicht die menschliche Existenz auf diesem Planeten. Diese Parteien glauben es entweder nicht oder es ihnen eher gleichgültig.
Es sind die Kinder und Jugendlichen von „Fridays For Future“, die die Erkenntnisse der Wissenschaft beim Wort nehmen und in ihren Reaktionen zwischen düsterer Verzweiflung und lustvollem Protest schwanken. Diese Bewegung argumentiert existentiell. Dies macht ihre Intensität und Dringlichkeit aus. Ein Teil der politischen Klasse verhält sich den jungen Leuten gegenüber, als seien diese getrieben von pubertären Überspanntheiten. Ausgerechnet die Jüngeren dieser Klasse zeigen die Attitüde völlig vergreister Politikaster. Paul Ziemiak, 33 Jahre alt, bis vor kurzem Vorsitzende der Jungen Union und nun Generalsekretär der CDU von Kramp-Karrenbauers Gnaden, gebärdet sich besonders paternalistisch, ebenso wie Christian Lindner, Vorsitzender der FDP, soeben 40 Jahre alt geworden. Man kann dreierlei vermuten: erstens: Sie glauben die Prognosen nicht; zweitens: sie meinen, ein Wundermittel würde alles zum Guten wenden; drittens: es ist ihnen egal, nach uns die Sintflut. Wahrscheinlich ist es eine Mischung von allem. Das Wichtigste für sie aber ist und bleibt: Bei der nächsten Wahl möglichst gut abzuschneiden; was danach kommt, wird man sehen.
Exterminismus, das letzte Stadium der Zivilisation
Anfang der 1980er Jahre spielte in der Debatte der Friedensbewegung ein Begriff eine Rolle, der von dem britischen Sozialhistoriker E.P. Thompson kreiert worden war: „Exterminismus“, das letzte Stadium der Zivilisation in den westeuropäischen Ländern. Der Begriff stand für den Einsatz von Waffensystemen, die unkalkulierbare und unkontrollierbare Wirkungen und Folgen nach sich ziehen würden, nämlich die Auslöschung von Bevölkerungen und Ökosystemen, sprich: Exterminismus.
Meines Erachtens wäre es angebracht, in Zusammenhang mit dem Klimawandel diesen Begriff wieder in die öffentliche Diskussion einzuführen. Sie wird der Dramatik der Lage gerecht. Ich selbst spreche gerne von „Autokannibalismus“: Die Menschheit frisst sich selbst auf. Alles in einem sträubt sich, dies anzunehmen, denn: das kann und darf doch nicht sein.
Ich gehöre nicht zu denen, die gerne in Dystopien schwelgen, also Anti-Utopien, zukunftspessimistischen Szenarien. Generell nötigen mir kulturpessimistische Äußerungen eher Spott und Ironie ab. Aber dass die menschliche Existenz auf diesem Planeten von selbstverständlicher ewiger Dauer sein soll, kann mir nicht einleuchten. Und selbst wenn die menschliche Spezies in den kommenden hunderten Jahren nicht in ihrer Existenz gefährdet sein sollte, so ist der Tod von Abermillionen Menschen aufgrund klimatischer Veränderungen sachlich vorstellbar und zwar ohne dass die Menschen als Gattung ihr Verhalten grundsätzlich in Frage stellen.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde ein Drittel der Bevölkerung hinweggerafft, mindestens. Dies blieb nicht ohne Folgen. Der heutige Umgang mit Religionen ist davon geprägt. Nie wieder sollte es dazu kommen, dass man seinen Nachbarn aufgrund seines Glaubens und seiner Konfession abschlachtet. Aber ansonsten? Im 2. Weltkrieg starben 50 Millionen (oder mehr). Es blieben Traumata. Aber schützen diese uns vor neuen Katastrophen? Alle drei Sekunden stirbt ein Mensch an Hunger, neun Millionen im Jahr. Was folgt aus diesem Wissen?
Der Klimawandel bringt Abermillionen Menschen den Tod
Der Klimawandel wird, so er nicht aufgehalten wird, Abermillionen Menschen den Tod bringen, – zig oder hunderte Millionen -, und noch mehr ihrer materiellen Existenz berauben. Ist das hinnehmbar? Die Kinder und Jugendlichen sagen: nein. Ein Teil der Politik sagt: na ja. Die Kinder und Jugendlichen sind nicht nur moralisch im Recht, sie sind materiell im Recht, d.h. was unsere Interessen an einem Leben in Frieden, Wohlstand und Freiheit betrifft. Dies muss man einfach einmal konstatieren.
Politisches Denken und Klimawandel passen nicht zusammen.
Politiker denken kurzfristig, meist nicht mal über vier Jahre hinaus.
Politiker brauchen gute Schlagzeilen und schnelle Erfolge – je schneller desto besser.
Das bringt auch der Politikbetrieb in Berlin mit sich, der nicht auf lange Konzepte warten kann.
Politik braucht am Ende Wähler, denen glaubhaft versichert wird, dass sich nichts zum Unbequemen ändern muss.
Ob Autosubventionen für den Ersatz fast neuwertiger Dieselfahrzeuge, anstatt einem Zuschuss zu ÖPNV und der Anschaffung von Fahrrädern oder einfach nur die billige weltweite Urlaubsreise (14 Tage Seychellen und nur am Strand – und bitte keine Kontakte zu Einheimischen – weil es ja so „paradiesisch“ angenehm ist) oder einfach nur bitte keine jetzt diskutierte unbequeme CO2-Abgabe auf das Ganze.
Nachhaltigkeit ist nicht gefragt, Nachhaltigkeit ist zwar ein Wahlthema, soll dann aber nach der Wahl bitte nicht umgesetzt werden – schließlich trennen wir ja bereits unseren Müll und was will man da noch mehr von uns verlangen?
Nachhaltigkeit zahlt sich politisch auch nicht in vier Jahren bis zur nächsten Wahl aus, sondern erst in
wesentlich längeren Zeiträumen. Ein Baum braucht gute 80 Jahre bis er ausgewachsen ist.
Wer jetzt Geld in Aufforstungen investiert, sieht dieses Geld in seiner Legislaturperiode von vier Jahren nicht mehr wieder.
Und welcher Politiker möchte schon, dass erst die Generation in 80 Jahren sagt: „Ihr habt es damals richtig gemacht !“
Nachhaltigkeit bringt also keine schnellen Erfolge und keine politische Karriere in kurzer Zeit.
Nachhaltigkeit bedeutet den Mut jetzt etwas zu verändern, dass sich erst in Jahrzehnten positiv auswirkt. So viel Zeit
hat kein Politiker, weder in den USA, noch in Russland, noch in Europa! Und erst recht nicht im Saarland mit seiner höchsten CO-2-Belastung von allen Bundesländern und damit auf dem leider Schlusslicht in Deutschland beim Klimaschutz. Aber keine Angst – wir müssen es auch nicht ausbaden.Die Jugend von Fridays for Future wird es im Alter erleben mit Trockenheiten weltheit, Hunger, Emigration und Kriege um die letzten Rohstoffe und Trinkwasser-Vorkommen.
Was bleibt und also hier im Saarland als Bürger, vor allem als Bürger im Alter ab 40 Jahren, die schon einen Teil des Klimawandels mit verantworten ?
Was können wir tun anstatt mit einer Wahl unsere Verantwortung für die nächsten Generationen in die Hände von Politikern zu legen?
Selbst handeln ! Wir alle können sofort etwas tun, oder zumindest
innerhalb von wenigen Monaten sehr viel zum Positiven verändern.
Informationen, was man selbst tun kann, findet man zum Beispiel auf den
Seiten des BUND und bei FRIDAYS FOR FUTURE.