von Winfried Anslinger
Regelenergie
Regelenergie, auch Regelleistung genannt, gleicht die Schwankungen im Stromnetz aus. Die Normalfrequenz im europäischen Verbundnetz muss bei 50 Hertz gehalten werden. Weicht sie aus ihrem Regelband nach oben oder unten ab, muss Leistung zugeführt oder herausgenommen werden, sonst kommt es zu Störungen, im Extremfall zum Netzausfall. Um das zu vermeiden, muss die Regelleistung eingreifen, die nach festen Regeln Energie zuführt oder aus dem netz nimmt. Diese Reserve soll innerhalb von 30 Sekunden 2 % der Nennleistung bereitstellen (=Primärreserve), innerhalb von fünf Minuten pro Minute 2 % der Nennleistung (=Sekundärreserve) oder nach einer Viertelstunde (=Minutenreserve) in Höhe einer bestellten Zusatzleistung für einen Ausgleich sorgen. Dabei unterscheidet man zwischen positiver (es muss zusätzlich Strom ins Netz eingespeist werden) und negativer (Strom muss aus dem Netz genommen werden) Regelenergie.
In den nächsten Jahrzehnten ist mit stark ansteigendem Bedarf an Regelenergie zu rechnen, da der Strom aus Wind und Photovoltaikanlagen stark fluktuiert, je nach Wetter und Tageszeit. Laut IZES (Institut für Zukunftsenergiesysteme) kann es in 7 Jahren zu ersten Engpässen kommen. Netzverbund und transnationaler Energiehandel werden nur begrenzt helfen, da Großwetterlagen oft ganz Europa erfassen. Vor allem negative Regelleistung wird gefragt sein.
Nachfrage nach negativer Regelleistung wird steigen
Nach 2020 rechnen Institute in Deutschland mit einem zusätzlichen Regelenergiebedarf in der Größenordnung von 6 bis 14 GW. Künftig sind für diese Leistungen höhere Preise erzielbar, sowohl an den Strombörsen, als auch in fest verhandelten Verträgen.Im „Weißbuch Energie“ des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) wird im Rahmen des Strommarktdesign 2.0 eine zusätzliche Kapazitätsreserve gefordert, die als Fangnetz dienen soll und ab 2017 durch finanziell abgesicherten Weiterbetrieb alter Braunkohlekraftwerke sichergestellt wird. Dies ist wahrscheinlich nicht mit dem Beihilferecht der EU vereinbar.
Eine Sonderregelung für Süddeutschland betrifft das Saarland. Im Weißbuch wird eine zusätzliche „Netzreserve“ für Süddeutschland gefordert für den Fall, dass die Netze nach Stilllegung der AKWs dort „schwächeln“ und die geplanten Trassen nicht ausreichen oder gar nicht gebaut werden.
Als Teil der Sonderlösung für Süddeutschland sollen ab 2021 noch 2 GW an schnell verfügbarer, schwarzstartfähiger Kapazität neu geschaffen werden. Diese Kapazität soll hoch flexibel verfügbar sein, das trifft am ehesten auf Pumpspeicherwerke zu. Alternativ wäre an Batterien oder an batteriegekoppelte Gasturbinen oder andere, alternative Technologien, zu denken. All dies dürfte – auch langfristig betrachtet – teurer werden.
Wenn unsere Landesregierung es fördert, könnte hier eine Chance für das von uns konzipierte Pumpspeicherwerk im Nordschacht liegen. Eine Entscheidung darüber setzt allerdings die Verabschiedung des neuen Strommarktgesetzes voraus sowie weitere Regelungen, die eine wirtschaftlich solide Basis ermöglichen.
Wohin mit der negativen Regelenergie?
Wenn negative Regelenergie das Netz belastet, muss die Frage gestellt werden, was damit passieren soll. Zur Erinnerung: Negative Energie muss vom Netz, damit keine Überfrequenz bzw. Überspannung entsteht, die große Schäden an elektrischen Systemen anrichten kann.
Am klügsten wäre es, diese Energie zu speichern. Große Mengen davon können wir heute am wirtschatlichsten in Pumpspeicherkraftwerken zwischenlagern. Pumpspeicher sind bis auf weiteres die mit Abstand billigste Speichertechnologie. Sie verbinden einen der höchsten Wirkungsgrade (bis zu 85 % gegenüber 40 – 55 % bei Druckluftspeicher, maximal 40 % bei Windgas) mit einem breiten Einsatzspektrum. Speicherung und Entnahme von Strom erfolgen CO2 frei.
Pumpspeicherkraftwerk SAAR
Die Vorteile eines Pumpspeicherkraftwerks SAAR liegen auf der Hand:
Die Investitionskosten im Nordschacht werden von RAG in ihrer Vorstudie mit 491 Mill € für 300 MVA Leistung angegeben. Unsere eigene Berechnung hat ca. 1,5 Mill € pro installiertem MW Leistung ergeben (= 450 Mill € für 300 MW), was ungefähr den Investitionskosten für ein neues Steinkohlekraftwerk entspricht. (Mainz 1,57 Mill € pro MW).
Die Nähe zu den deutschen Industriezentren Stuttgart, Rhein Main, und Ruhr bedingt geringeren Aufwand bei Netzausbau und Unterhaltung. Kostendegressionen beim Netzbetrieb können im Rahmen der Anreizregulierung finanzielle Vorteile für den ÜNB ergeben.
Am Nordschacht ist in nur 14 km Entfernung ein Anschluss auf der Höchstspannungsebene möglich: 380 KV am Netzknotenpunkt Uchtelfangen. Eine genehmigte Trasse ist bereits vorhanden.
Die Netzstabilität wäre regional gesichert, Kosten für Neubau oder Ertüchtigung von Trassen werden tendenziell vermieden. Dadurch kann der Netzbetreiber seine Systemverantwortung leichter wahrnehmen.
Das Kraftwerk wäre vielfältig einsetzbar: für Regelenergie, zur Kappung von Leistungsspitzen, Bereitstellung eines Regelbandes, backup für Ökostromlabels, im Verbund virtueller Kraftwerke, im Verbund von „smart grids“ u.s.w.
In begrenztem Umfang wäre eine zusätzliche Nutzung des erwärmten Tiefenwassers möglich, z.B. in Verbindung mit Wärmepumpen zu Heizzwecken im örtlichen Verbund.
Das Saarland würde seinem Ruf als „Energieland“ auch nach Auslaufen der fossilen Stromerzeugung gerecht, indem es zum Energieausgleich in Süddeutschland, sowie mit den Industriezentren an Rhein und Ruhr, beiträgt. Zudem erhöht ein Großspeicher im Saarland die Unabhängigkeit von Importen fossiler und nuklearer Energieträger.
Auch die RAG hätte Vorteile. Würden die Pumpen zusätzlich zur Wasserhaltung eingesetzt, wären Kosteneinsparungen und ein besseres Management bei der Bewältigung der Ewigkeitslasten möglich.
Und schließlich würden mindestens 200 Arbeitsplätze im Saarland neu geschaffen in deren Windschatten neue Wertschöpfung im Saarland durch Gewerbe und Einkommenssteuereinnahmen erfolgen.
Fazit
Für ein Pumpspeicherwerk Saar ist ein wirtschaftlicher Betrieb unter den bisherigen Prämissen noch nicht wirtschaftlich. Unter künftig absehbaren Bedingungen ist der Betrieb eines Pumpspeicherkraftwerks SAAR möglich. Es könnte eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Netzstabilität spielen.
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