von Friedhelm Chlopek
Es ist ein kafkaeskes Schauspiel, das sich der Weltgemeinschaft bietet: Die USA, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, ein Land voll kluger Köpfe und preisgekrönter Wissenschaftler, steigt aus dem Klimaschutzabkommen von Paris aus, um einem selbstverliebten, total überforderten Präsidenten zu Diensten zu sein.
Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge
In Deutschland und in der EU gibt es Menschen, die denken, dass der amerikanische Präsident vielleicht nicht unrecht hat. Zu kurz geratene Diskussionen über die Klima- und Energiewende sind die Ursachen. Um es klar zu sagen: Die Folgen des Anstiegs der Erdtemperatur können nicht irgendwie zurückgenommen werden. Sie sind irreversibel. Um beispielsweise die Folgen des Treibhauseffektes in den Griff zu bekommen, müsste anteilig an der Weltgemeinschaft jeder Deutsche heute zwei Tonnen CO2 pro Jahren verbrauchen. Es sind aber 11,8 Tonnen, die wir jedes Jahr in die Luft blasen.
Die Knappheit der Ressourcen
In der Enzyklika „Laudato Si‘ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ befasst sich Papst Franziskus mit der Menschheit vor allem in den reicheren Ländern. Dazu schrieb Detlef Esslinger in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Juni 2017 in seinem Artikel „Die Ökokiste“: „Franziskus spielt darauf an, dass inzwischen jedes Jahr Anfang August der Tag erreicht ist, bis zu dem jene Ressourcen verbraucht sind, welche die Erde innerhalb eines Jahres selbst reproduzieren kann (vor dreißig Jahren lag dieser Tag noch kurz vor Weihnachten, vor 10 Jahren war es schon der 26. Oktober).“
Es ist erschütternd, wie wenig uns das in Deutschland kümmert. Wir glauben, dass Mülltrennung und Energiesparlampen ausreichen, um die drohende Katastrophe zu verhindern. Generationen werden darunter leiden. Wir zerstören unsere Erde unwiederbringlich für den Preis eines flüchtigen Augenblicks.
Die Einsicht, dass manche Bodenschätze besser dortblieben, wo sie sind – nämlich im Boden – ist den meisten von uns Deutschen ziemlich egal. Unsere fehlende Einsicht für die Knappheit der Ressourcen ist es, die uns alle in die Katastrophe führen wird. Vor dreißig Jahren kam die Diskussion des Waldsterbens auf. Mit dem Waldsterben wurden Umweltsünden thematisiert: Das Wasser unserer Flüsse wie beispielsweise der Saar eignete sich damals eher zum Entwickeln von Fotos. An Schwimmen war nicht zu denken. Fische schwammen in der Regel mit dem Bauch nach oben. Auch hier war sichtbar: Es musste was passieren. Der Wald ist nicht gestorben, dafür wurde endlich das Thema Luftverschmutzung angegangen.
Die Klimaerwärmung
Und die Klimaerwärmung? Was für ein kuschliges Wort für den Treibhauseffekt. Was soll schon so schlimm daran sein, dass wir in Deutschland ein bisschen früher und ein bisschen länger Sommer haben? Das sollten wir uns doch nicht vergällen lassen. Überhaupt, wir Deutsche leben doch in einem so schönen sauberen Land. Die Biomasse in Deutschland hat seit 1989 um 80 Prozent abgenommen. Fliegen, Bienen, Falter, unsere Insekten verschwinden. Und wir merken das auch. Wenn wir heute mit unserem schönen SUV durch die Lande fahren, sind die Autoscheiben nicht mehr von Insektendreck übersäht. Oh du schönes, sauberes Deutschland. Was soll uns denn die „Klimaerwärmung“ schon antun?
Schon heute sind die Schäden groß. Hitzewellen, die die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden vor allem der Kinder und Alten beeinträchtigen. Mittlerweile haben wir in immer kürzeren Abständen „Jahrhundertüberschwemmungen.“
Der durch Menschen verursachte Treibhauseffekt lässt Gletscher schmelzen. Steigt der Meeresspiegel weiter an, werden Städte wie Venedig im wahrsten Sinne des Wortes von der Erdoberfläche verschwinden. Wobei die Venezianer noch Glück haben, sind sie doch Europäer. Sie werden also nicht zu dem Tross der Abermillionen, in Zukunft wahrscheinlich sogar Milliarden von Klimaflüchtlingen zählen, die nach Europa oder andere Länder wie die USA drängen, weil sie in ihrer Heimat nicht mehr überleben können. Für dieses Fakt der klimabedingten Flucht aus unbewohnbaren Regionen gibt es im Gesetz bisher noch gar keine Regelung, denn diese Menschen werden nicht politisch verfolgt und können somit auch keinen Asylantrag stellen.
Die Quellen der Energieversorgung gehen aus
Der Medows Bericht an den Club of Rome stammt aus dem Jahr 1972. Der Bericht beschreibt kurz gesagt die aus der Schnittmenge von Ressourcenendlichkeit, Umweltproblemen, Welternährung und Demografie entstehende Problemlage durch die Grenzen des Wachstums. Es geht darum, dass der Menschheit die Quellen der Energieversorgung ausgehen. Und gleichzeitig weist der Bericht auf die menschlich verursachte, epochal globale Erwärmung durch Treibhausgasausstöße hin, die zu irreversiblen Folgen weltweit führen. Wissenschaftler, auch in den USA, haben diese Thesen auch heute, 40 Jahre später, bestätigt.
Frage über Fragen
Trotzdem wird der Klimawandel und mit ihm seine katastrophalen Folgen immer wieder in Frage gestellt. Gibt es ihn wirklich, den menschengemachten Klimawandel? Und was genau ist Inhalt und Rolle der deutschen Energiewende? Wie knapp sind fossile Brennstoffe wirklich? Ist die Energiewende nicht einfach nur ein Stromkostentreiber und wirtschaftlich vollkommener Unsinn? Und wer ist denn eigentlich an der ganzen Misere Schuld? Wir, die westlichen Konsumenten? Oder unsere Politiker, für die sich im Augenblick das Thema Energiewende einzig im Für und Wider der Windkraft zu drehen scheint? Bieten neue Technologien wirklich die angepriesenen Chancen? Und schließlich geht es auch noch um den gesellschaftlichen Wandel. Muss der denn wirklich sein?
Mit diesen Fragen müssen wir uns ernsthaft beschäftigen, ebenso, welche politischen Maßnahmen sinnvoll ergriffen werden können und – vor allem aus ethisch menschlicher Sicht – ergriffen werden müssen. Und schließlich: Stellt das Ganze eher eine Gefahr oder eine Chance für die Menschheit dar?
Für uns gibt es keinen Planeten B
Wenn ganze Arten von der Erde verschwinden, wenn Länder im Meer versinken, kann niemand sie zurückholen. Da nützt es nichts, wenn sich Umweltverbände gegen den Bau von Windkraftanlagen aussprechen. Jeder Promillepunkt, den wir bei der Erderwärmung sparen, bringt uns alle weiter. Und natürlich hat die aktuelle Entwicklung längst gezeigt, dass im Bereich der regenerativen Energien zukunftsorientierte, dauerhafte Arbeitsplätze entstehen. Und natürlich ist jeder gefahrene Kilometer mit dem Fahrrad ein echter Gewinn für die Umwelt. Städte wie Freiburg, die den Autoverkehr immer weiter zurückdrängen, stehen heute in der Gunst vieler Deutscher besser da als andere Städte, die sich dieses Problems verschließen. Der gesellschaftliche Wandel findet also statt. Wir sollten mutig genug sein, ihn weiter voranzutreiben. Dazu brauchen wir auch Politiker, die mutig genug sind, die Dinge beim Namen zu nennen. Der Veggieday wäre so eine Sache gewesen. Leider fehlt sogar hier den Grünen der Mut.
Wir sollten bei dieser Diskussion eine Sache nicht aus den Augen verlieren: „Für das Klima gibt es keinen Plan B, denn es gibt auch keinen Planeten B,“ kommentiert Emmanuel Macron, französischer Staatspräsident, den Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen.